Die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Henriette Reker ehrte sechs Mitglieder des TTC Rot-Gold Köln e.V. mit der Großen Sportplakette des Jahres 2019.
Dr. Caroline Privou, Dr. Petra Zimmermann, Ute Graffenberger, Marina Hüls, Sandra Caspers und Angelina Brunone nahmen ihre Ehrungen am 28. August im Sportamt Köln in Empfang – Corona bedingt dieses Jahr im kleinen Kreis, da die „für März geplante Kölsche SportNacht 2020 sowie die damit verbundene Auszeichnung… abgesagt werden musste“, so die Stadt Köln auf Nachfrage.
Einmal im Jahr ehrt die Stadt Kölner Sportlerinnen und Sportler, für gewöhnlich in einer festlichen Gala. Wie ist es unseren Preisträgerinnen diesmal ergangen? Wie sind sie in ihre Karrieren gestartet und was unternehmen sie gegen die lange Corona-Durststrecke?
Als erste Interviewpartner habe ich mit Dr. Caroline Privou & Dr. Petra Zimmermann gesprochen.
Redaktion: Zunächst möchte ich Euch herzlich zur Großen Sportplakette für Euren deutschen Meistertitel im Standardtanzen der Equality-Damen 2019 gratulieren – natürlich auch im Namen des Vorstands und unseres Beirats. Wie viele Titel habt Ihr bislang ertanzt?
Carolin: Ich muss kurz überlegen. Es sind 14 Deutsche Meistertitel, acht Europameistertitel und <denkt nach> …
Petra: … 9 Weltmeistertitel. <lacht>.
Redaktion: Das sind zusammen 31 Meistertitel. Nochmals herzlichen Glückwunsch. Was für eine beeindruckende Bilanz! Da steckt sicher sehr viel Arbeit dahinter, stimmt’s?
Petra: Ja. Vor allen Dingen aber Freude. Wir haben im Dezember 2000 mit dem Tanzen begonnen.
Carolin: Übrigens direkt im TTC Rot-Gold Köln, einem der größten Kölner Tanzclubs.
Redaktion: Das ist eine sehr lange Zeit. Wie sehen denn Eure nächsten Ziele aus?
Petra: Seit zwei Jahren nehmen wir überall, wo es erlaubt ist, an SEN I S Turnieren teil und arbeiten uns dort langsam nach vorne:
Finalteilnahme WDC AL Europameisterschaften SEN I Blackpool Ostern 2018 & 2019.
Blackpool May Dance Festival 2018 Viertelfinale Platz 19; 2019 Platz 16
International Dance Championships, England, 2018 Semifinal Platz 10; 2019 Platz 7
German Open, Mannheim, Sen I 2018 Platz 3; 2019 Platz 2
WDC Dutch Open Assen 2019 SEN II Platz 1; SEN I Platz 3
Redaktion: Momentan finden ja kaum Turniere statt, international gibt es für viele Länder Reisewarnungen. Wie geht Ihr mit dieser für uns alle so ungewöhnlichen Zeit um?
Carolin: Wir finden es wichtig, immer positiv zu bleiben und kreativ nach Möglichkeiten der Weiterentwicklung und neuen Wegen zu suchen, das eigene Tanzen zu verbessern. Unter diesem Aspekt kann diese für uns alle unbekannte und herausfordernde Situation auch eine Chance sein.
Redaktion: Oder man erinnert sich einfach an die schönsten Momente der eigenen Tanzkarriere. Welche waren das bei Euch?
Petra: Besondere Erinnerungen haben wir an den Gewinn unseres ersten DM-Titels im Jahre 2005 in Berlin. Und an die Verleihung des „DTV Awards“. Das ist der Oskar des Deutschen Tanzsportverbands für herausragende Leistungen im Tanzsport mit Auftritt auf der entsprechenden GALA. Dann an die Wahl zum Köln-Sportteam des Jahres 2010 und an das Blackpool May Dance Festival in UK sowie das sehr positive Feedback von Tanzikonen, die wir seit vielen Jahren bewundern!
Carolin: Eine tolle Erinnerung ist auch ein Auftritt in der Blue Hall in Stockholm. Hier findet das offizielle Dinner bei der Nobelpreis Verleihung statt. Und natürlich gibt es ganz viele weitere bewegende Momente, die wir auf und auch neben der Fläche erleben durften.
Redaktion: Es ist überwältigend zu sehen und zu hören, wie Ihr für Euren Sport brennt, Euch – Corona zum Trotz – Ziele setzt und damit sicher auch andere ansteckt. Petra und Carolin, vielen Dank für das Interview.
Lateintanzen lebt von einer ganz besonderen Hingabe. Während Standardtanzen durchaus distanziert wirken kann, sprüht Lateintanzen nur so vor Lebensfreude. Dies verkörperten im Equality-Bereich 2019 niemand besser als Ute Graffenberger und Marina Hüls. Sie wurden dafür mit dem deutschen Meistertitel der Damen in den lateinamerikanischen Tänzen belohnt. Herzlichen Glückwunsch, Ihr zwei.
Ute: Danke schön.
Marina: Ja, wir freuen uns sehr.
Redaktion: Ich weiß, dass Ihr beide schon vorher mit anderen Partnern getanzt habt, aber wie lange tanzt Ihr zwei eigentlich als Paar zusammen?
Marina: Seit Mitte 2016.
Ute: Dann feiern wir dieses Jahr bereits unser 4 jähriges Bestehen …
Marina: … was nicht immer einfach war. <grinst>.
Redaktion: Was waren denn die schönsten Momente, an die Ihr Euch erinnert?
Beide: Als wir gemeinsam das erste Mal 2017 die deutschen Meisterschaften gewonnen haben.
Marina: <schwärmt>. Wir waren so stolz, als wir den ersten Preis entgegengenehmen durften.
Ute: Das war so ein unvergesslicher Moment, als die deutsche Nationalhymne gespielt wurde. Das war das erste Mal, dass wir solch eine Anerkennung für uns und den Equality-Tanzsport erfahren haben.
Marina: Bei dem Gedanken daran habe ich noch immer Gänsehaut.
Redaktion: Ihr habt ja bereits viele Siege errungen. Könnt Ihr uns dazu ein wenig erzählen?
Ute: Wir sind amtierende Deutsche und Europameisterinnen. Deutsche Meister sind wir seit 2017 jedes Jahr gewesen.
Marina: 2018 haben wir auf den Weltmeisterschaften eine Bronzemedaille geholt. Und die Stadt Köln hat uns sowohl mit der bronzenen als auch mit der goldenen Sportplakette (für den EM-Titel) geehrt.
Ute: Ach ja, und Grand Slam-Siegerinnen sind wir ja auch. <errötet>.
Redaktion: Nur keine falsche Bescheidenheit. Wer hart trainiert, wird am Ende auch belohnt. Apropos Training. Wie geht Ihr mit der Corona-Zwangspause um. Es gibt ja auch für Euch derzeit keine Turniere.
Marina: Das ist eine wirklich schwere Frage, denn es ist schon schwierig unter diesen Bedingungen die sportliche Fitness zu halten.
Ute: Daher gehört Selbstdisziplin und Solosport, also sowas wie Joggen, Fitnessstudio aber auch Homeworkout zum täglichen Programm.
Marina: Horror wäre es, wieder bei null anzufangen, wenn man wieder Endrunden und Turniere mit anderen tanzen darf.
Ute: Unser Tipp: Nicht den Kopf hängen lassen und das Hinterteil auch außerhalb des Trainingssaales bewegen.
Redaktion: Eure Lebensfreude ist ansteckend. Ich wünsche Euch ganz viel Trainingsmöglichkeiten und viele weitere tolle Titel. Herzlichen Dank, dass Ihr Euch Zeit genommen habt.
Frei nach der der alten Volksweisheit „Hinter jedem erfolgreichen Paar steht ein starker Trainer“ wundert es nicht, dass Marina und Ute seit Jahren Erfolge erzielen. Sie trainieren bei Sandra Caspers, die 2019 von der Stadt Köln als Trainerin für den Equality-Tanzsport im Rot-Gold Köln sowie als Haupttrainerin der mehrmaligen Deutschen Latein-Meisterinnen geehrt wurde. Gratulation, liebe Sandra.
Sandra: Danke schön.
Redaktion: Ich kenne dich ja schon sehr lange und erinnere mich, mit wie viel Hingabe, du in zehn (!) Tänzen aktiv warst. Wann bist du eigentlich mit dem Tanzen angefangen?
Sandra: Vor mehr als einem viertel Jahrhundert. 1994 genauer gesagt. Allerdings habe ich schon früh gemerkt, dass ich nicht nur gerne tanze, sondern auch gerne erkläre, Paaren Wege aufzeige, Trainingspläne erstelle und coache. Deshalb unterrichte ich bereits seit 2004.
Redaktion: Was ebenfalls schon eine sehr lange Zeit ist und für viel Erfahrung spricht. Hast du denn Glücksmomente, an die du dich auch heute noch gerne erinnerst?
Sandra: Oh, da gibt es viele. Der „erfolgreichste und schönste“ Moment war sicherlich den Weltmeistertitel über 10 Tänze zu gewinnen und entgegenzunehmen. Allerdings sind die schönsten Momente ja eher die, wenn man versteht, warum man Turniersport als seine Bestimmung gewählt hat. Zum Beispiel wenn eine Tanzpartnerschaft funktioniert, mit allem Drum und Dran; wenn man gelobt und angelächelt wird für das, was man tut und nicht für ein Kreuz oder eine Eins auf der Wertungsrichtertafel. Wenn bei Turnieren die Konkurrenz zu Sportkollegen wird; und wenn sich jeder erste Schritt auf die Tanzfläche (egal ob Training, Training geben oder Turnier) mit Dankbarkeit und Leidenschaft vermischt. <schaut mich nachdenklich an>.
Und der absolut erfolgreichste Moment für mich persönlich war der, an dem ich auf einem Turnier meinen jetzigen Mann das erste Mal geküsst habe.
Redaktion: Das war bestimmt ein rührender Moment. Wenn ich dir zuhöre, verstehe ich sofort, dass Tanzen und Leben eine Einheit bei dir bilden. Wie geht es dir denn momentan in der für uns alle so fremden Corona-Zeit. Hast du einen Tipp für unsere Leser, was du anstellst, um die turnierfreie Zeit zu nutzen?
Sandra: Da gibt es so einiges. Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel dazu gelernt. Wir haben ja momentan das Glück, dass wir wieder als vollständiges Paar und je nach Saalgröße sogar als fast vollständige Formation auf der Fläche stehen können. Doch auch wenn das alles nicht so von statten geht, wie man es möchte, kann diese Zeit sinnvoll genutzt werden. Wirklich mal die Pausen genießen, mal alles sacken lassen, alles das wozu eine Tänzerin und ein Tänzer sonst nicht kommen. <reibt sich die Nase>.
Redaktion: Trotzdem fehlt aber doch der Anreiz. Keine Wettkämpfe, keine Möglichkeiten zu siegen, sich zu messen. Das ist doch für die meisten Tänzer das Wichtigste.
Sandra: Normalerweise motivieren wir Sportler uns über Wettkämpfe und den Vergleich im Training. Das stimmt. Als Sportler will man gewinnen, besser als andere sein und sich vergleichen. Das geht aber gerade leider nur sehr eingeschränkt, und Medaillen gibt es erst einmal auch nicht. Mist. Das senkt die Motivation.
Was kann man also tun? Den Spieß einfach umdrehen und den Prozess zum Trainingsziel machen: Wann wollt ihr was bis wann können? Welche Zubringerleistungen können priorisiert und welche Defizite gestopft werden? Je mehr man sich auf den Weg konzentriert desto mehr Bock macht dieser, auch wenn das Ziel gerade im Nebel liegt.
Immer wenn ihr keinen Bock auf ein Training oder eine ungeliebte Trainingseinheit habt, denkt an die Konkurrenz und stell euch vor, dass die schon daran arbeitet. Das schlechte Gewissen wirkt manchmal Wunder!
Redaktion: Das waren viele Anregungen aus dem Fundus einer erfahrenen und sehr erfolgreichen Trainerin. Besten Dank, für deine motivierenden Worte und das Gespräch.
Die besten Paare und die besten Trainer können aber nichts ausrichten, wenn hinter ihnen nicht eine Organisation steht, die sich um Trainingsinfrastruktur, Workshops, Turniere und vieles mehr kümmert. Meist schafft man das in seiner aktiven Tanzkarriere kaum. Umso bemerkenswerter sind Menschen, die sich trotzdem diesen Aufgaben stellen. Guten Tag, Angelina, und vor allen Dingen: Gratulation zur Sportlerehrung für dein Ehrenamt im Rot-Gold Köln, Abteilung Equality.
Angelina: Danke, danke.
Redaktion: Wann hast du denn zum ersten Mal Tanzluft geschnuppert?
Angelina: Ich habe das Tanzen ganz früher einmal mit Rock´n Roll begonnen, war dann aber viele Jahre inaktiv. 1998… <schaut mich nachdenklich an> … puh ist das lange her <lacht> bin ich dann mit Hobbytanzkursen im Equalitiy-Bereich eingestiegen. Da war ich schon Ü30. Von da aus ging es in die Formation der Swinging Sisters, mit der wir übrigens bei den GayGames 2010 in Köln Gold geholt hatten. <denkt nach>.
Die GayGames waren dann auch für mich und meine damalige Tanzpartnerin Sabine der Start ins Turniertanzen. Eine andere Tanzleidenschaft hat mich allerdings auch nie verlassen – der Tango.
Redaktion: Du bist ein ja ein richtiges Multitalent. Was waren denn die schönsten Momente deiner Tanzkarriere bislang?
Angelina: Highlights gab es einige. Der Start 2010 in Köln war beeindruckend. Das erste große Turnier mit dem ersten 18-Stunden-Turniertag. Dann die Eurogames in dem altehrwürdigen Saal in Blackpool: ein absoluter Höhepunkt <schwärmt>.
Unser Triple 2015 bei den European Championships in Stockholm: Sieg in Standard, Latein und 10-Tänzen. Und es sind die vielen schönen und einmaligen Momente: Egal ob große oder kleine, nationale oder internationale Turniere, die anderen Tänzerinnen und Tänzer, der ganze Turnierbetrieb, daneben auch die vielen tollen Trainings und Workshops mit den Trainerinnen und Trainern, die uns begleitet haben.
Redaktion: Trotzdem hast du sogar Zeit für die Organisation eines Groß-Events gefunden.
Angelina: Du meinst unsere DM 2018 in Köln, die wir hier im TTC Rot-Gold organisiert haben. Das war ein ganz besonderes Tanzsportereignis: mit einem tollen TTC-Team und einer super schönen DM.
Redaktion: Wie man hört, ist dein Organisationstalent sehr beliebt und dein Einsatz bei der DM nicht folgenlos geblieben.
Angelina: Seit ein paar Jahren engagiere ich mich auch in unserem Equality Verband DVET.
Redaktion: Eine letzte Frage. Wie nehmt ihr im Verband die ganzen Corona-Regularien wahr und wie geht ihr damit um?
Angelina: Aus meiner Verbandstätigkeit im DVET bekomme ich die unendlichen Schwierigkeiten aufgrund der Corona Einschränkungen aus Sicht der Organisatoren und Vereine mit. Ein Turnier nach dem anderen muss abgesagt werden und es ist überhaupt kein Ende in Sicht.
Online Workshops sind ein kreativer Weg, kurzfristig eine Lösung anzubieten, aber wie es langfristig weitergehen soll – ich weiß es nicht. Fakt ist nur: Das Tanzen, das Reisen, Turnierluft schnuppern – das alles fehlt.
Redaktion: Wir wünschen dir von Herzen, dass du weiterhin so engagiert organisierst, aber auch selber tanzt. Wir alle hoffen auf bessere Zeiten. Und die werden sicher kommen. Tanzsportlichen Dank für die Einblicke in deine Arbeit.
Die Interviews führte Dagmar Sieberichs.